Renée Grafen und Ivo Schmitz. Einfach mal fragen: Wie kann ich helfen?

Ein gutes Leben? Was ist das eigentlich? Und kann man überhaupt über ein gutes Leben sprechen, wenn das Leben, das man gerade noch gelebt hat, plötzlich weggespült wurde. Wie vielen anderen erging es auch Renée Grafen und Ivo Schmitz so. Wir sitzen in ihrem Haus in Eschweiler, in der Bergrather Strasse und es ist von der Flut gezeichnet.

Renée Grafen erinnert sich gut daran, wie sie erstmals das Wasser steigen und steigen sah. Es war 22.15 Uhr, sagt sie. Das weiss sie noch ganz genau, weil sie ein Video aufgenommen hat. Sie ging an diesem Abend auf die Strasse und wunderte sich. So etwas hatte sie noch nie gesehen. So viel Wasser. Noch keine Flut, aber immer mehr Menschen bekamen ein mulmiges Gefühl. «Die Menschen kennen mich, ich bin ja stellvertretende Bürgermeisterin von Eschweiler. Das ist nur ein Ehrentitel, aber doch auch eine Verpflichtung», sagt sie. Deshalb griff sie zum Telefon, als sie auf der Strasse immer mehr Leute ansprachen, weil die Verunsicherung wuchs. Ein paar Sandsäcke lagen zwar herum, mehr nicht. Es gab keinen Alarm, nichts. Nur ein paar Sandsäcke. Die Nummer des Krisenstabs hatte sie in einem Posting auf Facebook gesehen. Am Telefon habe man ihr gesagt, sie solle sich keine Sorgen machen. Die Flut gehe bestimmt bald zurück. «Hätten die doch gesagt, dass sie nicht wissen was los sei, wir haben so etwas noch nie mitgemacht, dafür hätte ich Verständnis gehabt. Hätten sie doch gesagt, sorgen Sie dafür, dass die Leute nach Hause gehen, das könnte gefährlich werden, dann hätten die Menschen sich vorbereiten können», findet Grafen. 

Von der Flut gezeichnet

Nun sitzt sie mit ihrem Mann Ivo Schmitz im von der Flut gezeichneten Haus und hat nahezu sämtliche Kleidung, Schuhe, Bücher und vieles mehr entsorgt. Der Gestank vom Schlamm sei einfach unerträglich gewesen. «Ich habe hier mein gesamtes Hab und Gut rausgetragen», sagt sie. Ein Lastwagen aus Würselen habe nur Müll von hier weggefahren. Alles kaputt. In ihrem Fall hätte man ohnehin nichts mehr retten können, aber in höher gelegenen Strassen, wie der Kaiserstrasse oder der Nothberger Strasse, da hätte man noch etwas tun können.

Helfer in der Not

Wenn man Renée Grafen und ihren Mann über diese tragischen Erlebnisse erzählen hört, klingt bei aller Erschöpfung immer noch Zuversicht heraus. Das mag auch daran liegen, dass die beiden lebenserfahren und reflektiert genug sind, um zu wissen, dass es weitergehen muss. Und man auch Positives in Krisen erleben kann. «Bernd Schmitz hat organisiert, dass 32 Helfer der Jungen Union und auch der «Alten» sowie Freunde und Bekannte zum Helfen kamen. Das lief wie am Schnürchen. Dafür bin ich dankbar. Ich konnte nicht mehr, war nur noch in der Lage, das ganze Trümmerfeld zu fotografieren», erinnert sie sich. Auch die Familie, die Schwester ihres Mannes, die Nichte, der Neffe hätten tatkräftig unterstützt. Das sei unglaublich: «Die Tochter von Ivos Schwester studiert Medizin in Köln. Sie hat alles stehen und liegen gelassen und stand um 9 Uhr morgens vor der Tür, um zu helfen.» Pragmatismus und gegenseitige Hilfe sei das Gebot der Stunde, so Grafen. «Die Leute können ja hier nicht warten, bis sie sich ihr Leben wiederaufbauen, in der Not haben die Menschen also einfach angepackt.» Und das sei nun bürokratisch schwierig, gerade wenn man nicht für alles irgendeine Rechnung hat. Aber das ist für die beiden nicht einmal der eigentliche Massstab für gute Politik. «Als Politiker hast du eine Bemühungspflicht. Ich nenne das mal so, immerhin bin ich Kaufmann», sagt Schmitz. Man könne nicht erwarten, dass Politiker alles regeln, aber sie müssen nah bei den Menschen sein. Zuhören, um zu wissen, was die Menschen brauchen. Er erwarte nicht, dass einfach Geld verteilt werde. Politiker müssen ehrlich versuchen zu verbessern. Nicht das Unmögliche, aber das Mögliche. Stattdessen gäbe es vor allem Ich-Botschaften und Partei-Bekenntnisse. Deshalb sagt mir Schmitz auch, dass er «Ein gutes Leben» ziemlich dick aufgetragen findet für einen Kampagnen-Slogan. Aber es sollte Politikern wichtig sein zu erfahren, was den Menschen wichtig ist. Um Chancen für ein gutes Leben schaffen zu können.

Worum es wirklich geht

Genau darum geht es bei «Ein gutes Leben», wende ich ein und er kann sich mit diesem Anspruch arrangieren. An dieser Stelle kommt wieder die kämpferisch positive Einstellung von Renée Grafen ins Spiel. «Ich sehe die Flut als Chance», sagt sie. Das klinge böse, aber würde sie es anders sehen, würde sie verzweifeln, sagt sie. Für sie ist die Flut die Chance, sich ein neues Zuhause aufzubauen. Denn wenn sie an ein gutes Leben denkt, denkt sie an Gesundheit. «Meine Mutter ist 92 geworden und mit 87 wurde es etwas tatterig. Ich will daher mindestens die nächsten 15 Jahren gesund und selbst bestimmt leben.» Ihrem Mann seien andere Dinge wichtig, denn Ivo Schmitz ist schwer erkrankt. Für ihn ist ein gutes Leben ein Geben und Nehmen. Wenn man von anderen etwas erwarte, müsse man auch schon selbst bereit sein, sich positiv zu profilieren. Es gäbe nicht per se eine Anspruchsgrundlage, spricht der Kaufmann wieder aus ihm, aber in der Not müsse man beisammenstehen. Genau das könne man aktuell sehen bei den Menschen, die von der Flut betroffen sind. Zusammenhalt. «Von dir als Politiker würde ich erwarten, dass du fragst: Wie kann ich euch helfen? Was braucht ihr? Was fehlt euch?», gibt mir Schmitz abschliessend mit auf den Weg.

Ich nehme viel mit aus dem Gespräch mit zwei beeindruckenden Persönlichkeiten, aber drei Fragen bleiben besonders hängen. 

  • Was fehlt euch? 
  • Was braucht ihr? 
  • Wie kann ich euch helfen?

Schreibt es mir, gerne hier in den Kommentaren.  Oder sprecht mich gerne an, wenn ihr mich seht. Ich werde zuhören. So wie auch Renée und Ivo. Vielen Dank für das Gespräch. Meine Gedanken dazu habe ich hier festgehalten. 

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