Franz Wings. Ein Mann, der Spuren hinterlässt
Die meisten Menschen, die aus dem sonntäglichen Gottesdienst in Eschweiler Richtung Marktplatz strömen, kennt Franz Wings schon lange persönlich. Und sie kennen ihn. Er grüsst mit einem Lächeln in die Runde, winkt freundlich, oder kommt kurz ins Gespräch. Besonders herzlich unterhält er sich mit einem Mann, der in Begleitung seiner Drillinge ist. Er muss schmunzeln. Kaum verwunderlich. Immerhin hat sein Sohn Andreas auch Drillinge, erzählt er mir während unseres Gesprächs über «sein gutes Leben», für das er sich Zeit genommen hat. Er freut sich darüber. Und wir sind gleich per Du. Für mich eine schöne Wertschätzung.
Familie und Heimat sind für Franz ganz zentrale Lebensthemen. Man könnte auch sagen, dass beides für ihn Fundamente für sein gutes Leben sind. Wenn man den 83-Jährigen zufrieden und voller Elan zuhört, glaubt man kaum, welche Herausforderung sein Leben bereithielt. Die Welt hat sich verändert und er mit ihr. Er hat gelernt, manches loszulassen, neue Chancen zu ergreifen und Wichtiges festzuhalten.
Kein Platz mehr für den landwirtschaftlichen Betrieb
Früh in seinem Erwachsenenleben hat er erfahren müssen, was Veränderung wirklich heißt. Der familiäre Bauernhof, auf dem er groß geworden ist und den er übernommen hat, musste plötzlich weichen. Nicht nur Franz war betroffen, sondern der gesamte Ort. In Langendorf sollte Braunkohle abgebaut werden. Für die Landwirtschaft, den Ort und die Menschen musste ein neuer Platz her. Ein landwirtschaftlicher Neustart auf der Neulandfläche oder eines Ersatzhofes in der Ferne, die Franz angeboten wurden, waren für ihn keine verlockende Perspektive. Er schulte stattdessen um. Er wurde Zollbeamter und blieb es bis zu seinem Ruhestand. Blickt er zurück auf frühere Tage, kommt manchmal schon so etwas wie Nostalgie auf. «Weisst du Junge, das Verhalten der Menschen hat sich geändert. Früher gab es eine andere Gemeinschaft und einen tatkräftigeren Zusammenhalt. Man hat sich unterstützt. Wurde jemand auf dem Hof krank, halfen Freunde und Nachbarn. Der Stall wurde ausgemistet, die Kühe gemolken, Rüben eingeholt», sagt er, aber ohne sentimental zu sein.
Der lebenserfahrene Vereinsmensch, der in der Freiw. Feuerwehr, der Schützenbruderschaft und im SV Germania Dürwiß aktiv war, will nicht lamentieren. Er reflektiert. Bei aller Veränderung in seinem Leben, ist das tatkräftige Miteinander eine Konstante, auf die er immer wieder gebaut hat, um Neues aufzubauen. Wie sein neues Leben in Dürwiss, nachdem er Langendorf zurücklassen musste. Miteinander hieß für ihn, auch mal unterschiedlicher Meinung zu sein. Das war ihm in all seinen Jahren als Teil des Eschweiler Rates besonders wichtig: eine gewisse Überparteilichkeit. «Man muss in der Sache kontrovers streiten, danach aber auch wieder zusammen ein Bier trinken können», betont er. Sonst gehe gegenseitiges Vertrauen verloren und alle verharren in ihrer Position – statt Lösungen zu finden.
Vergangenheit erhalten
Ein Erinnerungsstück der ehemaligen Heimat ist die Gedächtniskapelle Lohn. Denn Langendorf gehörte zum Kirchspiel Lohn. Wo früher die große Pfarrkirche stand, steht jetzt eine Kapelle. Er ist Mitglied im Förderverein Gedächtniskapelle Kirchspiel Lohn und hat diese Kapelle mit gebaut. Man schreitet auf einer wundervollen zweihundert Meter langen Allee der Kapelle entgegen. Ein herrlicher Anblick. Auf dem Kapellengelände kann man noch deutlich die Spuren des ehemaligen Straßennetzes von Lohn sehen. Hier wurde sichtbar etwas geschaffen, was besonders für die ehemaligen Bewohner des Kirchspiels Lohn – es waren fünf Dörfer – an die abgebaggerte Heimat erinnert und von großer Bedeutung ist. Kein Wunder, sind für ihn Verwurzelung und Heimatverbundenheit so wichtig. Er habe nie weggehen wollen. Hier sei er zuhause, hier habe er seine Freunde. Er versteht jedoch auch, dass das Leben heute anders spielt. Dass gerade junge Menschen ihre Heimat verlassen, um zu studieren, einen Beruf zu finden, oder einfach Neues kennenzulernen. Schön fände er, wenn sie zurückkommen würden, um sich mit neuer Erfahrung im Gepäck etwas hier aufzubauen. Die Stadt Eschweiler ist immer bemüht, Bauland zu erschließen, jedoch die Nachfrage ist größer als das Angebot. Immerhin gehe es um die Zukunft unserer Heimat. Er ist jedoch zuversichtlich, dass Politik und Verwaltung gemeinsam neue Baugebiete erschließen würden. Wenn man ihm zuhört, zeigt sich eines deutlich: Ein gutes Leben will immer wieder neu erarbeitet und in der Gemeinschaft ausgehandelt werden.
Für den ehemaligen Marathonläufer Franz Wings heißt gut leben heute, die Zeit mit seiner Familie zu genießen, täglich mehrmals mit seiner Schäferhündin Luna zu gehen, zwei Mal wöchentlich eine Stunde zu laufen und mit seiner Frau Fahrradtouren in die nähere Umgebung zu machen. Dann kann er auf die vergangenen 83 Jahre zurückblicken und sehen, was er geleistet hat.
Respekt vor dieser Lebensleistung spürt man auch am Eschweiler Marktplatz, den ihm die Leute entgegenbringen. Ganz und gar nicht förmlich, einfach durch das offene und herzliche Miteinander. Man kann sagen: Franz Wings lebt vor, wie ein gutes Leben aussehen kann. Vielen Dank für deine Einblicke. Was ich für mich aus dem Gespräch mitgenommen habe, das könnt ihr hier erfahren.